Eine repräsentative Schweizer Studie aus dem Jahr 2017 ergab, dass die meisten Schweizer Firmen der Kundenerfahrung einen hohen Stellenwert beimessen. 96 Prozent der befragten Unternehmen gingen sogar davon aus, dass deren Bedeutung noch zunehmen wird. Dennoch schaffte es die Mehrzahl der untersuchten Firmen nicht, detaillierte Informationen über das Verhalten ihrer Zielgruppe zu erhalten. Den grössten Nachholbedarf haben mittelständische Betriebe und grössere Unternehmen. Kleinere Firmen kennen das Kaufverhalten ihrer Kunden besser.
Zum Begriff Customer Journey
Customer Journey ist ein Fachbegriff aus dem Marketing und wird oft mit Kundenreise oder Käuferreise übersetzt. Gemeint ist das Verhalten von potenziellen Käufern vom ersten Kontakt mit einem Produkt bis zu dessen Kauf. In der Regel wird dabei auch noch die Zeit nach dem Erwerb des jeweiligen Produkts berücksichtigt. Die Käuferreise gliedert sich in mehrere Abschnitte und lässt sich im Bereich des Online Marketing besser verfolgen als bei der Nutzung anderer Marketingkanäle: Bei Besuchern von Ladengeschäften weiss das werbetreibende Unternehmen meist nicht, warum sie diese aufsuchen und woher sie von ihnen erfahren haben. Um diese wichtigen Informationen zu erhalten, müsste es eine Kundenbefragung durchführen.
Das Online Marketing nutzt technische (Trackingtools) und andere Hilfsmittel, um herauszufinden, welche Schritte der Webbesucher während seiner Kundenreise unternimmt. Die spezielle Analysesoftware liefert wertvolle Informationen über die potenziellen Kunden und ihre Vorlieben und Bedürfnisse. Diese Daten werden gesammelt, ausgewertet und zur Erstellung der idealtypischen Käuferpersönlichkeit (Buyer Persona) verwendet. Diese steht stellvertretend für die gesamte Zielgruppe eines Online Shops.
Denn je mehr detaillierte Informationen es über seine Zielgruppe hat, desto besser kann es seine Marketingkampagne planen und die Kaufinteressenten mit der jeweils geeigneten Botschaft ansprechen. Ausserdem werden die gewonnenen Daten zur Optimierung der eigenen Produkte verwendet. Der Weg, den der potenzielle Kunde bis zum tatsächlichen Kauf des Produkts zurücklegt, wird in einer eigens dafür angefertigten Grafik (Map) festgehalten. Je besser ihn das Unternehmen auf dieser Reise begleitet, desto grösser ist seine Zufriedenheit: Er fühlt sich gut bedient und wird höchstwahrscheinlich wieder bei dem Anbieter einkaufen.
Verlauf der Kundenreise
Die meisten User, die auf der Suche nach einem bestimmten Produkt sind, kaufen nicht das erste Angebot, das sie im Internet sehen. Sie haben oft mehrmals Kontakt mit dem Angebot, bevor sie ihren Kaufentschluss fassen. Diese Kontaktpunkte nennt man im Online Marketing Touchpoints. Entdeckt ein Hobbygärtner beim Surfen im Internet ein bestimmtes nützliches Gartengerät, erregt dieses sein Interesse. Er schaut sich die Werbeanzeige oder Onlinenagebot genauer an und bekommt den Eindruck, dass er es gut gebrauchen könnte. Dann sucht er es in einem speziellen Bewertungsportal. Erfährt er dort, dass andere Verbraucher mit diesem Gerät gute Erfahrungen gemacht haben, wird sein Wunsch, es zu besitzen, immer stärker. Er geht auf die Herstellerseite und findet dort die Information, in welchen Onlineshops er es bestellen kann. Anschliessend besucht er einen der genannten Webshops und schickt dort seine Bestellung ab. Seine Customer Journey führte ihn zum Beispiel über die Kontaktpunkte:
- Google Produktanzeige
- Bewertungsportal
- Webseite des Herstellers
- Onlineshop
Bei der Customer Journey können auch Werbekanäle ausserhalb des Internet (TV-Werbespots, Zeitungsbeilagen, Postwurfsendungen) Touchpoints sein. Zu den üblicherweise genutzten Berührungspunkten gehören die Textanzeigen über den Suchmaschinenergebnissen(SEA), Werbebanner und Blogs, in denen das jeweilige Produkt beschrieben wird. Der käufliche Erwerb des gesuchten Produkts ist üblicherweise das Ende der Customer Journey. Allerdings können auch die Anmeldung zu einem Newsletter oder die Anforderung zusätzlichen Informationsmaterials am Ende des Prozesses stehen. Der Gebrauch des gekauften Artikels und die Erfahrungen des Käufers mit diesem sind ebenfalls für Werbetreibende wichtig.
Bild: Schematische Darstellung einer Customer Journey
Quelle. Survey Gizmo,
Kontrolle der Kundenreise mithilfe des Tracking
Tracking ist eine hilfreiche Methode, mehr über die eigene Zielgruppe zu erfahren. Die spezielle Analysesoftware funktioniert meist über Cookies. Das sind kleine Dateien, die der Server des werbenden Unternehmens auf der Festplatte des Besuchers hinterlegt. Sie enthalten Informationen über die Länge des Besuchs und die auf der Webseite vorgenommenen Handlungen. Geht der Besucher später erneut auf die Unternehmensseite, wird der Cookie automatisch an den Server zurückgeschickt. So erkennt die Firma den Seitenbesucher wieder. Ausserdem kann sie die im Cookie gespeicherten Daten mithilfe von Analysetools auswerten. Sie erfährt über die Tracking Cookies, welche Interessen und Vorlieben er hat und kann auf diese Weise sein Besucherprofil erstellen. Dieses dient dazu, ihm später personalisierte Werbebotschaften zuzuschicken. Um ein erfolgreiches Tracking durchführen zu können, muss das werbende Unternehmen jede seiner Unterseiten mit einem bestimmten Trackingcode versehen. Beim geräteübergreifenden Verfolgen erkennt es seine Besucher nicht über eine Minidatei, sondern über eine feste Identifikationsnummer. Onlineshops markieren ihre registrierten Kunden stets mit einer festen individuellen ID.
Wie Unternehmen die Customer Journey beeinflussen können
Bei einem mittelständischen Versicherungsunternehmen, das private Vorsorgeprodukte anbietet, sieht die Kundenreise folgendermassen aus:
- Der Verbraucher entdeckt seine Onlinewerbung (1. Kontakt)
- Er besucht die Webseite des Anbieters (2. Kontakt)
- Er ruft einen Kundenberater des Unternehmens an (3. Kontakt) und erhält am Telefon erste Informationen über das Vorsorgeprodukt
- Er fordert via E-Mail weitere Unterlagen an
- Er lässt sich vor Ort persönlich beraten
Gefällt ihm das Versicherungsprodukt, unterschreibt er den Vertrag und bewertet den Anbieter in speziellen Portalen und in den sozialen Medien positiv. Dadurch werden andere Webbesucher auf den Anbieter aufmerksam und der Kreis der potenziellen Käufer erweitert sich. Der zufriedene Kunde baut eine längerfristige Beziehung zum Anbieter auf und ist für weitere Werbung offen. Da das Unternehmen nun mehr Informationen über den Kunden und seine individuellen Vorstellungen und Bedürfnisse hat, kann es ihn zukünftig gezielter ansprechen.
Ein mittelgrosser Onlineshop schaltet eine Google Shoppinganzeige, um noch mehr Kaufinteressenten anzulocken. Sieht der nach dem jeweiligen Produkt Suchende die kleine bezahlte Anzeige, klickt er darauf und wird sofort zum Shop weitergeleitet. Dort erhält er weitere wichtige Details zum gewünschten Artikel. Hatte der Besucher ohnehin die Absicht, ihn zu kaufen, legt er ihn in den Warenkorb und schliesst seine Bestellung mit dem Gang zur Kasse ab.
Entdeckt das werbende Unternehmen beim Tracking der Customer Journey Auffälligkeiten wie beispielsweise eine hohe Absprungrate auf einer bestimmten Unterseite, kann es diese technisch optimieren lassen und so den weiteren Rückgang der Umsätze verhindern. Das Verlassen des Warenkorbs in Onlineshops hat oft den Grund, dass der Kaufinteressent es nicht schafft, die nächste Seite zu öffnen und den Kaufvorgang fortzusetzen. Ausserdem geben Trackingtools wie Google Analytics Auskunft darüber, an welcher Stelle der Customer Journey es sich lohnen könnte, dem Kunden weitere Werbung oder ergänzende Informationen zukommen zu lassen. Denn kennt die werbende Firma seine Vorlieben und Interessen, kann es ihn auf andere passende Artikel aufmerksam machen und so mehr Umsätze erzielen (Up Selling / Cross Selling).
Erstellen der Customer Journey Map
Die Customer Journey Map enthält den in einer Zeitachse dargestellten Verlauf der Kundenreise vom ersten Kontakt mit der Firma bis zur Phase nach dem Kauf. Ausserdem sind dort die Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen des potentiellen Käufers, seine Emotionen und die Handlungen, die er auf der Webseite des Unternehmens vornimmt, eingetragen. Dann wird jede seiner Aktionen dahingehend untersucht, was er möchte, erwartet und dabei fühlt. Die herausgearbeiteten Kontaktpunkte zum Anbieter werden speziell gekennzeichnet, damit man sie später beim Erstellen der Werbekampagne schneller findet. Hat das Unternehmen mehrere unterschiedliche Produkte in seinem Sortiment, legt es für jede Käufergruppe eine separate Map an. Auf diese Weise lassen sich die Marketingkampagnen zielorientierter durchführen. Hilfsmittel bei der Gewinnung von Informationen über die Zielgruppe sind beispielsweise
- Webanalyse-Tools
- bereits in der Firmendatenbank vorhandene Kundendaten
- Statistiken über durchgeführtes E-Mail-Marketing
- Kundenumfragen
Anhand dieser und weiterer Daten erfolgt dann die Definition der persona (Zielgruppe) und die Festlegung der Käuferpersönlichkeit mit ihrer wichtigsten Eigenschaften. Anschliessend werden die einzelnen online und offline Touchpoints und die zu nutzenden Werbekanäle in die Grafik eingetragen.
Bild: Beispiel einer Darstellung einer Customer Journey
Quelle: Effective UI
Um herauszufinden, wie sich der potenzielle Kunde auf seiner Reise fühlt, und ob er in jeder Phase des Prozesses über die erforderlichen Informationen verfügt, gehen die Mitarbeiter sämtliche Kontaktpunkte nochmals durch. Anhand der dabei empfundenen Emotionen erkennen sie, ob die Berührungsstellen problematisch sind. Ist dies nicht der Fall, kann die Kundenreise mit sämtlichen Details endgültig aufgezeichnet werden.
Bild: Beispiel der Customer Journey “Rail Europe”
Quelle: adaptive path
Fazit
Customer Journey Maps helfen Marketern, Geschäftsinhabern und Unternehmer ihre Zielgruppen (persona) besser zu verstehen. Dank der Analyse der einzelnen Touchpoints können individuelle Massnahmen pro Kundenkontaktpunkt erarbeitet werden. Die Wege zu Customer Journey Maps sind jedoch genauso individuell wie die Journeys selbst. Die wichtigsten drei Elemente, die jede Customer Journey Map enthalten sollte, sind:
- Beschreibung der Personas
- Touchpoints und Channels in der Zeitachse
- Emotionen, Informationsbedürfnisse und mögliche Probleme bei den Touchpoints
Diese Customer Journey Map hilft, Marketing-Aktivitäten noch besser den Bedürfnissen der Kunden anzupassen. Und das ist der Schlüssel zum Erfolg.
Bild: fotolia.com